Prävention als Grundprinzip

Zusammenwirken und mehr erreichen!

Prävention steht als Versorgungsbereich neben Kuration, Rehabilitation und Pflege aktuell im Fokus der Sozialpolitik. Der demografische Wandel und der Anstieg lebensstilbedingter, chronischer und psychischer Krankheiten machen gemeinsames präventives Handeln erforderlich – und damit die Zusammenarbeit der Sozialversicherungsträger und weiterer Akteure, die in den Lebenswelten jeweils für Gesundheit und Teilhabe bedeutsam sind. Dieser Ansatz liegt auch dem 2015  verabschiedeten Präventionsgesetz zugrunde. In der neu geschaffenen Nationalen  Präventionskonferenz arbeiten die Spitzenorganisationen der Krankenkassen, gesetzlichen Rentenversicherung, gesetzliche Unfallversicherung und Pflegeversicherung zusammen. Bund und Länder, kommunale Spitzenverbände, Bundesagentur für Arbeit sowie die Sozialpartner sind mit beratender Stimme vertreten. Am 19. Februar 2016 hat die Präventionskonferenz ihre Bundesrahmenempfehlungen verabschiedet. Prävention soll demnach lebensweltbezogen in den Phasen Kindheit und Jugend, Erwerbsleben und höheres Alter durch die Sozialversicherungsträger gemeinsam unterstützt werden. Im nächsten Schritt ist eine weitere Konkretisierung durch Landesrahmenvereinbarungen sowie die Förderung von Modellvorhaben vorgesehen. Der erste nationale Präventionsbericht soll 2019 erscheinen.
Prävention ist zugleich ein Grundprinzip, das im Zusammenhang mit allen Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe zu beachten ist. Nach dem SGB IX haben Reha-Träger vorrangig darauf hinzuwirken, dass nicht nur der Eintritt einer Behinderung, sondern auch die Chronifizierung von Krankheiten – als eine häufige Vorstufe von Behinderung–  vermieden wird. Der frühestmögliche Interventionsansatz zielt darauf ab, anderen Sozialleistungsbezügen wie Krankengeld, Arbeitslosengeld, Pflegeleistungen oder  Erwerbsminderungsrenten entgegenzuwirken. Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe selbst sind also präventiv ausgerichtet und setzen auf präventive Methoden. Eine zentrale Intervention in der medizinischen Rehabilitation ist z.B. die Patientenschulung, mit der langfristige Ziele wie Empowerment und Selbstmanagement verfolgt werden. Bewegungstherapeutische Angebote in der Reha bieten zudem die Möglichkeit, neue Erfahrungen zu sammeln und sich über eigene Vorlieben klar zu werden. Hier kann die Nachsorge als klassische Tertiärprävention anknüpfen.

Dr. Anne-Kathrin Exner, Reha-Forscherin an der Uni Bielefeld und Übungsleiterin für Gesundheitssport:

„Auch wenn Präventionssport und Reha-Sport unterschiedliche Zielgruppen anspricht, eine Parallele besteht: das soziale Miteinander in der Sportgruppe kann einen wesentlichen Beitrag zu  Wohlbefinden und Teilhabe leisten.“

Spätestens wenn sich eine Gesundheits- bzw. Teilhabeproblematik abzeichnet bzw. bereits sichtbar geworden ist, sind neben Primär- und Sekundärprävention die Verfahren und Möglichkeiten der Rehabilitation und Teilhabe einzubeziehen. Die Strukturen, Aktivitäten, Verfahren und Leistungen des Präventionsgesetzes müssen deshalb mit denen des SGB IX verbunden werden, wenn den Bedarfen in einer individuellen Lebenssituation umfassend entsprochen werden soll. Für die Betroffenen sind Gesundheit, Krankheit und Behinderung keine statischen Begriffe und die  Übergänge gestalten sich meist fließend. Der vielzitierte Grundsatz „Prävention vor Rehabilitation“ legt zwar nahe, die Leistungen zur Teilhabe als zeitlich nachgeordnet zu betrachten. Aus dem Blickwinkel der  UN-Behindertenrechtskonvention gilt jedoch: Auch und gerade wer bereits eine Behinderung hat oder von ihr bedroht ist, hat ein Recht auf Prävention und Gesundheitsförderung.
Prävention und Rehabilitation sind gemeinsam darauf ausgerichtet, einer Beeinträchtigung der Gesundheit und Teilhabe frühestmöglich entgegenzuwirken. Die Interventionsfelder der  Sozialversicherungsträger ergänzen sich und entsprechende Unterstützungsangebote sind möglichst eng miteinander zu verzahnen. Erfolgsentscheidend wird es hierbei sein, die in den Lebenswelten bedeutsamen Akteure zu befähigen, präventiv aktiv zu werden. Vor diesem Hintergrund hat die BAR bereits im letzten Jahr ein Projekt „Beschäftigungsfähigkeit durch verbesserte Verzahnung von Rehabilitation mit Prävention in der Arbeitswelt“ durchgeführt und die Ergebnisse auf ihrer Homepage veröffentlicht. Sie sind auch bei der Planung des BAR-Orientierungsrahmens 2016 bis 2018 berücksichtigt worden: Die Aktivitäten werden mit dem Vorhaben „Reha, Prävention und Co – Praxiswissen für betriebliche Akteure“ fortgesetzt. Aktuell wird zudem auf der Ebene der BAR die Gemeinsame Empfehlung „Prävention nach § 3 SGB IX“ überarbeitet. Dabei werden Maßgaben der UN-Behindertenrechtskonvention berücksichtigt und auch eine Harmonisierung mit den Regelungen des Präventionsgesetzes verfolgt. Prävention nach dem SGB IX sollte keinesfalls isoliert betrachtet werden, sondern als integraler Bestandteil einer übergeordneten Strategie.