Lebenslagen am Beispiel eines BAR-Projekts

Menschen mit Behinderung als Experten
Das Aufgabenfeld der Rehabilitation und Teilhabe ist komplex. Gerade deshalb ist es der BAR ein Anliegen, diesen Bereich auch Menschen mit kognitiven Einschränkungen in Leichter Sprache zu vermitteln. Dafür wurde die weitverbreitete Broschüre „Wegweiser Rehabilitation und Teilhabe“, orientiert am Lebenslagenkonzept, in Leichte Sprache übersetzt. Hier zeigte sich, wie Experten auf Augenhöhe zusammenarbeiten und voneinander lernen: Die Reha-Experten der BAR, die Übersetzungs-Experten des Vereins „Leben mit Handicaps“ und die Prüf-Experten.

Wenn Texte in Leichter Sprache verfasst werden, gehört das Prüfen der Übersetzung durch Menschen mit Lernschwierigkeiten zu einem der wichtigsten Arbeitsschritte. Maria Naumann, Anne-Kristin Kausch und Steven Wallner haben die Hefte des Wegweisers Rehabilitation und Teilhabe der BAR in Leichter Sprache geprüft. Die drei arbeiten in der WfbM der Diakonie am Thonberg in Leipzig.
Anne-Kristin Kausch und Maria Naumann fertigen täglich Grill- und Kaminanzünder, Steven Wallner packt die Babyboxen, die junge Eltern als Willkommensgeschenk der Stadt Leipzig für ihren Nachwuchs bekommen.
Sie sind stolz auf ihre Arbeit.

Maria Naumann ist eine erfahrene Prüferin und Mitglied im Verein Leben mit Handicaps. Ihr Wissen gibt sie mittlerweile an die beiden „Nachwuchsprüfer“ Anne-Kristin Kausch und Steven Wallner weiter. Und wenn die drei einmal einen Begriff nicht verstehen, suchen sie schon mal gemeinsam mit den anderen Prüferinnen und Prüfern des Vereins nach einem besseren Wort. Die Prüfer sind für die Übersetzungen in Leichte Sprache sehr wichtige Partner. Sie sind die Expertinnen und Experten. Sie allein entscheiden, ob die Übersetzung gut
und verständlich ist oder ob der Text noch einmal überarbeitet werden muss. Prüfen ist keine leichte Arbeit, für die kleine Prüfergruppe aber immer eine willkommene Abwechslung im Alltag der Werkstatt. Warum, das haben sie in einem kleinen Interview erzählt.

Warum ist für Sie Leichte Sprache wichtig?
Maria Naumann: Weil Leichte Sprache einfacher zu verstehen ist. Leichte Sprache macht das Leben leichter. Es ist wichtig bei Behörden.
Steven Wallner: Manche Fremdwörter oder Abkürzungen versteht man nicht. Große Zahlen sind schwierig, besser ist da zu sagen: viele oder sehr viel. Es ist wichtig zu erklären was das ist, damit ich das auch verstehe.
Anne-Kristin Kausch: Viele Behinderte verstehen und wissen nicht, was ist das. Und wie kann man das sagen.


Hat Ihnen Leichte Sprache schon einmal geholfen? Zum Beispiel bei der Arbeit oder bei einem Amt?
Steven Wallner: Leichte Sprache ist angenehmer als normale Texte, die man nicht versteht. Ämter sind nicht so gut. Die müssen noch viel lernen. Sie sollen Leichte Sprache umsetzen, damit wir das auch verstehen können.
Anne-Kristin Kausch: Ja, bei Ämtern oder privat, wenn in der Familie behinderte Kinder sind. Da ist Leichte Sprache gut, wenn man etwas erklären will. Ämter sprechen so, dass ich das verstehe.
Maria Naumann: Leichte Sprache hilft mir, wenn ich etwas leicht erklärt bekomme, zum Beispiel bei  Nachrichten. Ich interessiere mich für Politik. Aber Nachrichten sind nicht zu verstehen. Nachrichten in Leichter Sprache wären gut, zum Beispiel kann der Text unten in Leichter Sprache eingeblendet werden. Ich bringe Verkäufern schon mal Leichte Sprache bei. Ich habe Rollos gekauft. Die Verkäuferin hat zu schnell gesprochen und mit Fachbegriff en. Ich habe ihr Unterricht gegeben. Ich habe durch Leichte Sprache Mut bekommen, das zu sagen, was ich nicht verstehe. Und ich komme selber schneller auf den Punkt, wenn ich etwas sagen will.
Ich bin nicht mehr so aufgeregt in Gesprächen. Und ich sage, dass mit mir langsam gesprochen wird.

War es für Sie schwer, den Weg-Weiser zu prüfen?
Steven Wallner: Die Abkürzungen waren schwer. Sonst war es nicht so schwer.
Anne-Kristin Kausch: Nein, war es nicht.
Maria Naumann: Nein, gar nicht.

Was war für Sie gut beim Prüfen?
Maria Naumann: Ich habe viele Informationen bekommen, was ich vorher noch nicht wusste. Der Text war übersichtlich. Die Bilder sind gut. Wir haben gemeinsam über Wörter diskutiert, zum Beispiel über das Wort Pädagoge. Das haben wir nicht verstanden.
Steven Wallner: Die Texte sind gut erklärt.
Anne-Kristin Kausch: Das ich jetzt mehr weiß über Reha.

Hat es Ihnen Spaß gemacht das Heft zu prüfen?
Steven Wallner: Ja, damit man weiß, was man nicht verstanden hat und mit den anderen verbessern kann.
Anne-Kristin Kausch: Ja, so etwas mache ich gerne.
Maria Naumann: Ja.

Soll Prüferin/Prüfer für Leichte Sprache ein Beruf werden?
Steven Wallner: Ja, aber nicht den ganzen Tag, lieber halbtags.
Anne-Kristin Kausch: Für manche ja, manche Behinderte können das als Beruf machen.
Maria Naumann: Ja, das wäre sehr gut. Als Werkstatt-Außenarbeitsplatz, das wäre toll. Ich könnte mir das vorstellen, auch als Lehrer für Leichte Sprache zu arbeiten.