BAR-Fachgespräch 2015: Auf dem Weg zur Vernetzung

Stimmen, Anregungen, Einschätzungen

 

„Ich kam nach 8 Stunden Narkose zu mir und die erste Frage war, können Sie Ihre Zehen bewegen und die nächste war, wer ist ihr Reha-Träger. Das finde ich schon beeindruckend. Für mich war diese Welt völlig neu, die sich dahinter verbirgt.“

Dr. Andreas Hoffmann ist Veterinärmediziner und arbeitet am Paul-Ehrlich-Institut in Langen. Ihn hat erwischt was er nicht erwartet hat und worauf auch nichts hingedeutet hatte. Hoffmann erlitt einen Herzinfarkt bei seiner Arbeit im Institut. Aber er hatte auch Glück im Unglück. Die Erstversorgung war optimal, Reha und Wiedereingliederung in den Beruf klappten reibungslos. Ein Glücksfall, aber nicht die Regel. Unternehmen aber auch Arbeitnehmer empfinden das gegliederte Sozialleistungssystem und die Vielzahl potenzieller Leistungen und Ansprechpartner häufig als undurchsichtig.

Zwar suchen die Reha-Träger bei der Wiedereingliederung nach den besten Lösungen, aber das gelingt nicht immer. Wichtig ist frühzeitiges Handeln. Reto Schneider von der DRV Bund Mainz:

„Als Rentenversicherungsträger versuchen wir immer dann einzusteigen, wenn noch eine Chance besteht, die berufliche Leistungskraft zu erhalten.“ 

Schneider und Kay Schuhmacher von der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft berichten aus ihrer täglichen Praxis. Und da gibt es neben positiven Beispielen auch immer wieder Fälle, wo die Wiedereingliederung in den Beruf nicht oder nur unzureichend funktioniert. Dann zeigt sich auch, dass „mit dem betrieblichen Eingliederungsmanagement nicht immer etwas zu erreichen ist.“


Am Beispiel eines depressiven Mitarbeiters erläutert Schuhmacher, dass auch nach etlichen Maßnahmen und Unterstützungen keine befriedigende Lösung für den Mitarbeiter und den Arbeitgeber gefunden werden konnte. Man traf sich letztendlich sogar vor dem Arbeitsgericht. Auch Reto Schneider berichtet von dem Fall eines Diplombetriebswirts, bei dem „das System zwar schon gestützt hat und in gewissem Sinne hilfreich war, aber es konnte nicht das Optimum erreicht werden.“

Prof. Dr. Michael Linden von der Charité in Berlin greift in seinem Vortrag den Fall des depressiven Mitarbeiters auf und macht deutlich woran es hapert:

„ Das ist ein schönes Beispiel. Sie mussten mit ihrem depressiven Mitarbeiter erst vor Gericht gehen, um überhaupt mit ihm reden zu können.“ 

Auch die arbeitsrechtlichen und personenschutzrechtlichen Bestimmungen in den Unternehmen gäben derzeit zu wenig her, um den Mitarbeitern zu helfen. Und liefert auch gleich Lösungsansätze:


„Wir haben viele Instrumente, die müssten mal gebündelt werden – und außerdem:  Der Betroffene muss mitmachen.“

Und hinsichtlich der Zuständigkeitsklärung: „Wir brauchen da dringend eine Deregulierung.“  

Das deckt sich mit dem Vorschlag von Reto Schneider: „Erstmal an einen Tisch setzen und nicht mehr hin und her schieben. Den Fall in den Mittelpunkt treten lassen und nicht zuerst auf die Kosten blicken. Aber bitte mit den anderen Versicherungsträgern abgestimmt.“

Der Fall wird aber erst rund, wenn auch die Arbeitgeber mit eingebunden sind. Hajo Schumacher: „Wenn wir die Arbeitgeber sinnvoll unterstützen wollen, dann brauchen wir eine bessere Beratung und ein Service für Arbeitgeber ist da sicher gut.“

Denn viele kleine und mittlere Unternehmen sind bei Fragen der beruflichen Wiedereingliederung erkrankter Mitarbeiter schnell mit ihrem Latein am Ende. Was sind nun die Knackpunkte und wo muss angesetzt werden? Deutlich wurde: Lösungsansätze finden sich nur im gemeinsamen Handeln und Vernetzung kann nur im Dialog erreicht werden.

Dr. Helga Seel:„Gerade die Vernetzung in schwierigen Fällen, wo Unternehmen eine schnelle Lösung brauchen, da ist noch einiges zu tun. Es geht nicht darum, die Dinge kompliziert zu machen. Aber wenn ein Mensch mit Behinderung einen komplexen Unterstützungsbedarf hat, braucht es ein anderes, eben ein vernetztes Vorgehen“.

Was erwarten die Unternehmen im konkreten Fall? Und kann es den Lotsen geben, der sich um alles kümmert? Ist das alles leistbar?

Dr. Seel: „Wir wollen hier gemeinsam ein schwieriges Problem lösen und der Weg dorthin bietet genügend Spielraum. Dabei ist die BAR durchaus Ansprechpartner. Vernetzung muss gemeinsame diskutiert und gestaltet werden. Ohne gemeinsam vereinbarte Regelungen wird Vernetzung nicht verlässlich und dauerhaft funktionieren. Die BAR ist für die Akteure im Sozialleistungssystem eine geeignete Plattform und sieht in diesem Handlungsfeld einen wichtigen Auftrag.“